Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen: Ein politisches Beben mit Ansage

Forchheim – Die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen haben die politische Landschaft Deutschlands erschüttert. Mit einer rechtsextremen Partei als stärkster Kraft in Thüringen und einem fast ebenso starken Ergebnis in Sachsen wäre es fatal, ohne die richtigen Lehren einfach zu „Business as usual“ überzugehen. Die Wahlergebnisse vom 01. September sind ein weiterer Höhepunkt in einer ganzen Reihe von Alarmsignalen für alle demokratischen Kräfte, die sich fragen schonungslos fragen müssen:

Wie konnte es so weit kommen, und was können wir daraus lernen – auch für unsere Arbeit vor Ort, auch für den Landkreis Forchheim?

Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen

In Sachsen bleibt die CDU knapp stärkste Kraft. In Thüringen zieht trotz klar rechtsradikaler Ausrichtung die AfD als stärkste Kraft in den Landtag ein.

Sachsen:

  • CDU: 31,9%
  • AfD: 30,6%
  • SPD: 7,8%
  • LINKE: 5,5%
  • GRÜNE: 5,1%
  • BSW: 11,8%
  • Sonstige: 8,7%

Thüringen:

  • AfD: 32,8%
  • CDU: 23,6%
  • LINKE: 13,1%
  • SPD: 6,1%
  • GRÜNE: 3,2%
  • BSW: 15,8%
  • Sonstige: 5,4%

Die Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen: Ein deutlicher Rechtsruck

Die Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen spiegeln eine tiefe gesellschaftliche Spaltung wider, die sich so schon in den Meinungsumfragen und vorangegangenen Wahlen abgezeichnet hat. In Thüringen wurde die AfD mit 32,8 % der Stimmen stärkste Kraft und ist auf dem Weg, mit voraussichtlich 32 von 88 Sitzen eine sogenannte Sperrminorität im Landtag zu erreichen. In Sachsen liegt die AfD mit 30,6 % knapp hinter der CDU und verpasst nach aktuellem Stand die Sperrminorität knapp.

Was ist eine Sperrminorität?

Eine Sperrminorität ermöglicht es einer Minderheit, bestimmte Beschlüsse zu blockieren, wenn qualifizierte Mehrheiten erforderlich sind (beispielsweise bei bestimmten Gesetzesänderungen u.a. der Verfassung oder bei der Besetzung der Verfassungsrichter*innen). Dies verschafft einer Partei eine beachtliche Machtposition, da solche Entscheidungen nicht mehr ohne deren Mitsprache getroffen werden können.

Das fatal starke Abschneiden der AfD kam nicht über Nacht. Die Partei hat sich gerade in Sachsen verglichen mit der letzten Wahl nur leicht verbessert. Das alles mit einer großen Unzufriedenheit gegenüber der Bundesregierung zu erklären, wie es in so manch einer Expertenrunde geschehen ist, greift weit zu kurz. Viel mehr beobachten wir, dass rechtsextreme Positionen zunehmend an Zustimmung und öffentlicher Repräsentation gewinnen und sich die Grenze des Sagbaren mehr und mehr verschiebt. Die Ursachen sind tief verwurzelt, viele Probleme sind seit Jahren bekannt. Es ist ein politisches Beben, das mit Ansage gekommen ist.

Keine Demokratische Partei hat Grund zu feiern – Auch nicht die Union

Die Strategie der CDU, die politische Auseinandersetzung durch ständiges Ampel-Bashing und die gezielte Herabsetzung insbesondere der Grünen zu forcieren, hat sich als Holzweg erwiesen. Diese Art der Rhetorik hat der Union selbst wenig genutzt, dafür aber den politischen Rändern Aufwind verschafft. Gleiches gilt für das eilige Hinterherlaufen weit rechter Positionen, besonders in der Asyl- und Migrationspolitik. Dies hat weder der CDU noch irgendeiner anderen etablierten demokratischen Partei nennenswerte Zugewinne eingebracht. Von einem klaren Wahlsieg der Union kann jedenfalls weder in Sachsen noch in Thüringen die Rede sein. Stattdessen stehen nun alle demokratischen Parteien vor dem Scherbenhaufen eines politischen Klimas, das extrem polarisiert ist. Die Verantwortung dafür lässt sich nicht nur auf die Bundesregierung schieben. CDU und CSU können sich nicht aus ihrer Mitverantwortung für den schleichenden Vertrauensverlust in demokratische Institutionen und Verfahren stehlen. Durch ihre permanente Eskalationsrhetorik und das ständige Schüren von Misstrauen gegenüber anderen demokratischen Parteien haben sie selbst erheblich zur Erosion des Vertrauens in die Institutionen der Demokratie beigetragen.

SPD in Sachsen stabil und auch im Thüringer Landtag weiterhin vertreten

Die SPD konnte in Sachsen bei den Landtagswahlen einen minimalen Zugewinn von 0,1 Prozent verbuchen und erreichte damit 7,8 Prozent der Stimmen – sicher kein Grund die Sektkorken knallen zu lassen, aber dennoch ein bemerkenswerter Achtungserfolg. Die sächsische Sozialdemokratie unter Petra Köpping hat sich damit gegen den bundesweiten Trend und die „Anti-Ampel-Stimmung“ behauptet, die die Regierungsparteien gerade in Sachsen und Thüringen stark unter Druck gesetzt hat. Zu Beginn des Jahres sahen Meinungsforscher die SPD in Sachsen noch bei gerade einmal 3 Prozent, was das Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde und den Verlust des Landtagseinzuges bedeutet hätte. Dass die SPD in Sachsen nun nicht nur den Wiedereinzug gesichert hat, sondern sich sogar leicht verbessern konnte, belohnt den intensiven Wahlkampf und den entschlossenen Einsatz für jede einzelne Stimme. In Thüringen hingegen muss die SPD Verluste hinnehmen, bleibt jedoch im Landtag vertreten. Mit 6,1 Prozent (ein Minus von 2,1 Prozentpunkten) hat die Partei zwar an Zustimmung eingebüßt, sich aber trotz des schwierigen Umfelds behaupten können.

Nach den landtagswahlen – Wie geht es weiter?

Die Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen zeigen, dass die demokratischen Parteien vor einer entscheidenden Weggabelung stehen. Es ist allerhöchste Zeit, sich unmissverständlich gegen die erstarkenden rechtensradikalen Tendenzen und den Aufstieg der AfD positionieren. Es ist Zeit für eine Trendwende der demokratischen Auseinandersetzung. Das Verächtlichmachen anderer demokratischen Kräfte und der Versuch, mit taktischen Manövern oder populistischen Parolen vermeintlich Stimmen vom rechten Rand zurückzugewinnen, führt das Land in den Abgrund – die jüngsten Ergebnisse belegen das eindeutig.

Die Zukunftsaufgabe besteht darin, das Vertrauen in die Demokratie und ihre Institutionen zu stärken und die Bürgerinnen und Bürger durch glaubwürdige, konstruktive Politik zu überzeugen. Das bedeutet, die Sorgen und Nöte der Menschen ernst zu nehmen, ohne die Prinzipien einer offenen und solidarischen Gesellschaft zu verwässern. Es braucht eine klare politische Agenda, die die Themen soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit und Zusammenhalt in den Vordergrund stellt, und politische Akteur*innen, die diese Agenda auch glaubhaft in das Land tragen.

Richard Schmidt
Richard Schmidt

Meine Fokusthemen: Bildungsgerechtigkeit, die Energiewende und soziale Gerechtigkeit
Mir ist wichtig, dass unser Bildungssystem kostenlos, optimal ausgestattet und für alle zugänglich ist. Ich stehe für eine nachhaltige, gerechte Politik, die auf Rationalität und Dialog basiert.

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